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Ersatzverkehr zum Olymp

22.04.2012

Wenn die Deutsche Bahn ihre Verkehrsprobleme sublimieren will, wird es für Fahrgast und -gästin meist kompliziert und zeitraubend. Leider schafft es die Bahn noch nicht einmal die Internetseiten so zu aktualisieren, dass man / frau entsprechend informiert wird. Doch der / die S-Bahn KundIn ist in solchen Dingen erfahren und fragt sich durch.
So erreichten wir Dallgow-Döberitz mit dem Schienenersatzverkehr.

Von dort spazierten wir eine halbe Stunde nach Elstal.
Meine Liebste und ich wollten mit weiteren Freunden Finnlands den Ort besichtigen, an dem 1936 die finnische Olympiamannschaft wohnte. Da FinnInnen gerne in sportlichen Wettbewerben die Nase vorne haben, freuen sie auch vergangene Erfolge.

Bei den Spielen 1936 in Deutschland erreichten sie Platz 5 bei den Medaillen und da möchte er / sie auch die Fundamente sehen, auf der einst die Baracke stand, in der die Helden wohnten.
Mir ist dieser Nationalstolz ein wenig suspekt.

Doch deshalb war ich nicht mitgegangen, das gesamte Olympische Dorf wollte ich mir ansehen.
Natürlich war das Dorf wie die ganze Olympiade Propaganda für die Fortschrittlichkeit des Deutschen Reiches unter der Regierung der NSDAP. Unter der Hand war es auch noch ein Stück militärische Aufrüstung. Das Militär übernahm den Bau und die Gebäude waren von vorne rein als Kasernen geplant.
Im Dorf waren nur die männlichen Athleten untergebracht. Damals dachte Mann noch, Sex würde den Leichtathleten schwächen. Das es homosexuelle Sportler geben könnte, wurde wohl ignoriert.
Dass es neben der Athletik bis zum Jahr 1952  eine Kunst Olympiade, wie im alten Griechenland gab, war mir neu. Die Einzeldisziplinen waren: Baukunst, Malerei und Graphik, Bildhauerkunst, Dichtung und Musik.Unser finnlandophile Führer erwähnte dies wohl auch, weil einmal ein Finne die Goldmedaille für Literatur gewann.
Am Tor der Anlage erwartete uns, 25 FinnInnen und Deutsche, dann ein deutscher Führer, der uns für drei Euro pro Person über das Gelände geleitete.

Das Gebäudeensemble war zur Zeit der Eröffnung wohl sehr ansehnlich und modern. So aßen die Sportler in einem Versorgungskomplex, wobei die größeren Delegationen eigene Abteilungen hatten, teilweise auch mit nationalen Köchen. Bei den Italienern gab es sogar Wein.

Die Sportler wohnten in Zweibett Zimmern in Steinbaracken. Nur eine ist bisher wieder hergestellt worden. Die Zimmer waren wegen der späteren Nutzung mit Heizungen ausgestattet. Auf dem Gelände war ein künstlicher See angelegt und an ihm stand eine finnische Sauna. Zum Trainieren waren eine Turmhalle, eine Aschenbahn und ein Schwimmbad errichtet worden.
Auf den Fotos aus der Zeit sind nur fröhliche Gesichter zu sehen.

Nur drei Jahre später begann die Aktion „Vernichtung von lebensunwertem Leben“, die landesweite systematische Ermordung von psychisch Kranken in speziellen Krankenhäusern und Kliniken. Waren durch die glühende Nazionalsozialistin Leni Riefenstahl die arischen Helden beim Sport  in Szene gesetzt worden, wurden später alle, die nicht diesem Bild entsprachen, zum Totspritzen freigegeben. Doch das war nur das Vorspiel zu noch größeren Gräueltaten.

Trotzdem ist das Olympiadorf ein historisch bedeutender und eindrucksvoller Ort. Auch weil rassisch minderwertige und arische Helden noch friedlich miteinander zusammen lebten und dort auch die Medaillen des "Negers" Jesse Owens gefeiert wurden.



Der ließ die germanischen Helden ganz schön alt aussehen.

Leider hat die Bundesrepublik die Gebäude nach dem Abzug der Roten Armee 1992 verrotten lassen. Seit 2005 hat auf dem Gelände eine Stiftung der Deutschen Kreditbank das Sagen. Sie wird bei dem vorhandenen Tempo sicher noch hundert Jahre bis zur Fertigstellung des Areals brauchen. Außerdem fehlt ihr ein Nutzungkonzept, um Leben auf´s Gelände zu bringen. Schade!