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Der große Irrtum

18.05.2013

GASTKOMMENTAR von Markus Rother

© Warner Brothers
Die fünfte Romanverfilmung von "The Great Gatsby" widmet sich, wie fast alles aus Hollywood, dem American Dream. Der Erzähler, gespielt von Tobey Maguire, schildert seine Beziehung zu dem mysteriösen, stinkreichen Herrn Gatsby. Nach einiger Zeit inkarniert sich dieser dann in dem nicht ganz so reichen Leonardo DiCaprio.

© Warner Brothers
Der lächelt smart und souverän. Was der Typ aber eigentlich will, bleibt zunächst unklar, Kohle hat er ja schon. Nun ja, natürlich das, was mit Geld nicht zu kaufen ist: Love.
Doch viel Unterhaltung kann Mann sich leisten.

© Warner Brothers
Wer bei "The Great Gatsby" einen 20er Jahre Film erwartet, wird bitter enttäuscht. Es wird gar nicht erst versucht, ein authentisches Bild der Goldenen 20er New Yorks nach zu zeichnen – bis auf die Autos, Kleidung und Telefone.

© Warner Brothers
Retro wird der Film dadurch noch lange nicht. Auch nicht durch die schönen, aufwändigen Kostüme. Das Szenario ist eine knallbunte, laute Symbiose aus Jetzt und Früher, der etwas hysterisches anhaftet. Exemplarisch dafür ist die gigantische Party, die Gatsby veranstaltet.

© Warner Brothers
Statt Swing werden Hip-Hop und Disco-irgendwas aufgelegt. Die Veranstaltung erinnert dabei eher an einen Promiclub auf Ibiza, als an goldene 20er Jahre. Da gibt es dann professionelle schwarze Tänzerinnen, die wie im Fernsehen mit dem Arsch wackeln.

© Warner Brothers
Der an anderer Stelle getanzte Charleston wirkt dagegen verlegen, unprofessionell und leidenschaftslos (kein Vergleich zu den hervorragenden Tanzinszenierungen in "The Artist"). Nein – der Gatsby von Baz Luhrmann ist eher ein Bekenntnis zur ordinären Partykultur als eine Kritik daran. Feiern um jeden Preis. Dabeisein ist alles.
Auf der Website des Films  heißt es beiläufig, der Film "spiegle unsere heutige Zeit und ihre Konflikte". Das stimmt insofern, dass der Film den Konsumwahnsinn zelebriert.

© Warner Brothers
Dem Anspruch der Kritik daran zu leisten wird der Film jedenfalls nicht gerecht. Diese aus dem Film herauszulesen, ist wie die Bild als Abbild der Gesellschaft zu interpretieren. Genausowenig ist der Film in dieser Weise selbstreflexiv.

© Warner Brothers
Dafür ist er nicht intelligent genug. Es bleibt ein Hollywoodfilm für die Massen. Nur so sind überhaupt die immensen Produktionskosten wieder einzuspielen.
Verschwendung, Genußsucht und Rücksichtslosigkeit werden abgefeiert.

© Warner Brothers
Dazu gehört auch das Bedienen heutiger Rassenklischees durch schwarze Tänzerinnen – diese Gemeinsamkeiten halte ich für unbeabsichtigt! Dafür sind die Bilder zu suggestiv. Sie sollen cool sein. Die umso tragischere Botschaft lautet also: "So geil könnte auch Deine Party sein.

Du brauchst nur mehr Lametta und Champagner." Welchen man kaufen soll, steht auf der Webseite des Films. Dort sind einige namhafte Sponsoren gelistet.

In der Schlüsselszene gibt der Freund der weinenden Hauptrolle Feuer, diese Szene bleibt leider ebenso flach wie der Rest, obwohl die Story viel Potential hat. Der Höhepunkt ist einfach zu schlecht vorbereitet. Vor lauter Party hat der Zuschauer die weibliche Hauptrolle nämlich kaum kennengelernt. Der Ausgang des Dramas bleibt deshalb willkürlich. Ist das auch ein Zeugnis unserer Zeit? Nämlich dass das Ergebnis gar nicht so wichtig ist? Vielleicht. Immerhin wurde gefeiert.

Nicht genug damit, dass die gepriesene Güte des Herrn Gatsby rein materiell bleibt, und wenig hinterfragt wird. Selbst nach dem Kollaps sendet der Film vor allem die Botschaft, dass unserem Träumer ein Unrecht widerfahren ist, und nicht etwa, dass er zu viel ans Geld gedacht hatte.



Wer das Buch (wie ich selbst) nicht gelesen hat, betrachte den Film als einen Trailer zum Buch. Das ist das Beste, was man diesem Hollywoodprodukt abgewinnen kann, denn tatsächlich macht der Film Lust auf die ganze Geschichte. Kritik am Materiellen ist von einem Film, der 125 Millionen Dollar gekostet hat und wieder einspielen will, jedenfalls nicht zu erwarten. Deshalb: Thema verfehlt.

Das Buch von F. Scott Fitzgerald "Der große Gatsby" gibt es im Antiquariat oft für 1 €.

Kritiken der Anderen: Stern, Spiegel, Zeit, Stuttgarter Zeitung, FAZ