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Bedeutungsvolle Haltung

25.12.2015

Im Widerspruch zur der in die politische Bedeutungslosigkeit abdriftenden neoliberalen SPD fördert die Friedrich-Ebert-Stiftung der selben gesellschaftskritische KünstlerInnen durch Stipendien. Eine Auswahl der StipendiatInnen stellte Arbeiten im Haus am Lützowplatz aus.
Unter dem Leitthema "Attitudes - Haltungen" wurde mit unterschiedlichen Medien verfertigtes gezeigt. Schön ist das bei zwölf verschiedenen künstlerischen Positionen meist auch für mich etwas Spannendes dabei ist.
Die KünsterInnen waren:  Yevgenia Belorusets, Elena Dormeier, Soso Dumbadze, Sarah Held, Franziska Kabisch, Marie Kirchner, Thanh Long, Mariam Mekiwi, René Patzwaldt, Laura Popplow, Neda Saeedi, Jana Kerima Stolzer.

Von der Straße aus sah ich zuerst die lebensgroßen Plakate des Projekts "Girl Gang against Street Harassment" von Sarah Held.
Diese sind auch nicht für Kunsträume bestimmt. Sie hängen z.B.in Bahnunterführungen. Sie konterkarierten das herrschende Frauenbild und greifen dummbatzige Männerdenke an. Sonst tauchen Frauen in der Öffentlichkeit meist als sexistisch inszeniertes Beiwerk der Werbung auf.

Drinnen entdeckte ich ausdrucksstarke Fotos von Arbeiterinnen in den Kohlengruben des Donezbecken. Dieses liegt zum Teil in der Ukraine und ist vom Rest des Landes abgespalten. Yevgenia Belorusets gelangen diese Aufnahmen.


Die auf dem Boden liegende Installation von Neda Saeedi dekonstruierte ein Foto einer Baustelle in Berlin. Der flache Teil zeigt einen von einem Bagger befahrenen planierten Baugrund. Die heraus ragenden Teile zeigen die Gegend vor dem Abriss.
Bis zum 10.01. ist das zu sehen.

Oh, Gott

19.12.2015

Zum Weihnachtsfest passt doch eine göttliche Komödie wie die Faust aufs Auge. Mit der Liebsten und FreundInnen schaute ich im Yorck Kino "Das brandneue Testament".

Eine sehr bittersüße Komödie um eine Familie, die im obersten Stockwerk des höchsten Brüsseler Hochhauses wohnt. Der Vater ist Gott, ein Widerling, der am Rechner sitzt, sich neue Gemeinheiten zum Schaden für die Menschheit ausdenkt. Sogar solche kleinen Bösartigkeiten, wie dass Marmeladenbrote immer mit der Marmeladenseite auf den Fußboden auftrifft, bereiten ihm Freude.
Dass ein solcher Stinkstiefel die Familie nicht glücklich macht, ist zwangsläufig. Der Sohn Jesus hat sich deshalb schon lange verdrückt.

Gott putzt seine Frau ständig herunter, sie häkelt und sammelt Fotokarten von Baseball Spielern.
Jetzt kommt die Tochter  ins rebellische Alter, hat keine Lust mehr dem Tyrannen zu gehorchen.
Éa ist eine pfiffige Göre, kann ein wenig zaubern und nachdem der Papa sie mit dem Gürtel verprügelt hat, beschließt sie aus der hermetisch abgeschlossenen Wohnung zu fliehen. Nicht ohne vorher Gott schachmatt zu setzten, sie lässt seinen Computer abstürzen.

Ihr Weg führt sie durch die Rückwand der Waschmaschine. Auf der Erde endet er ebenfalls in einer Waschmaschine in einem Brüsseler Waschsalon.
Ihr Bruder hatte ihr aufgetragen sechs Jünger zu suchen, deren Aufgabe es nicht ist Éas Leben aufzuzeichnen, sondern ihre eigenen Geschichten zu erzählen.

Deren Adressen hat sie aus einem Karteikasten im Büro ihres Vaters geklaut.
Auf der Straße lernt die junge Dame einen Obdachlosen kennen, der ihr Schriftführer wird.
Vom folgenden Feuerwerk an dramatischen Einfällen verrate ich euch nichts mehr. Müsst ihr selbst ins Kino gehen.
Nur noch das, Ente gut - Alles gut.
Gott muss zu Schluss im Knast kontrollieren, ob in den dort produzierten Waschmaschienen die Rückwände ordnungsgemäß eingebaut sind. Frau Gott hat den PC wieder zum Laufen gebracht und beglückt die Welt mit Häckelmustern.
Irgendwie sehr diesseitig.


Regisseur Jaco Van Dormael
Besetzung:
Kritiken der Anderen: n-tv, cinema, Spiegel, Deutschland, critic, Frankfurter Rundschau,

Als wir kichernd aus dem Kino kamen, entdeckten wir drei Meter links vom Eingang das NeuWestBerlin.
In den ehemaligen Supermarkt ist ein Kulturplattform eingezogen. Es ist eine Bar aufgebaut, es gibt große Tische und Konzerte und Videokunst. Ein schnuckeliger Platz. Nach dem nächsten Besuch berichte ich genauer.


Foto: Andreas Hachulla

Jazz im Museum

10.12.2015

Im Musikinstrumenten Museum nah bei der Philharmonie gibt es eine monatlich stattfindende Konzertreihe in Zusammenarbeit mit dem Komponistenverband Berlin.


Das Niveau ist recht hoch, obwohl der Eintritt frei ist.
Zum Jahresabschluss spielten sogar drei Combos auf. Alle boten keine Standards sondern selbst Komponiertes und improvisierten fleißig dazu.

1. Den Anfang machte das Nikolaus Neuser 5tet.

Nikolaus Neuser - Trompete
Silke Eberhard – Saxophon
Gerhard Gschlössl – Posaune
Mike Majkowski – Kontrabass
Bernd Oezsevim – Schlagzeug


Für die erste Band in Serie ist es etwas schwer die ZuhörerInnen zu begeistern, den fünf gelang das aber schnell. Besonders die einzige Frau auf der Bühne spielte Saxophon wie eine junge Göttin.


2. unbedingT

Jürgen Kupke – Klarinette
Florian Bergmann – Bassklarinette
Christian Marien – Drums
Jörg Schippa – Akustische Gitarre

Das Quartett mit den zwingenden Namen bestand aus älteren Musikern, sie konnten durch ihr Spiel überzeugen. Allerlei Scherze lockerten den Auftritt auf.


3.  Independent Jazz Quartet

Rolf Römer - tenor-, sopran-sax, bassclarinet
Martin Auer - trumpet, fluegelhorn
Lars Gühlcke - bass
Ernst Bier - drums 

Die richtig alten Herren bildeten das Schlusslicht. Aber Ende gut war besonders gut. Sie setzten musikalisch noch einen drauf.


Schaut mal in meinen Umsonst Kalender auf dem Blog, da findet ihr die Ternime im Musikinstrumenten Museum.

Joulu Konzert

06.12.2015

Jedes Jahr vor Weihnachten treffen sich viele FinnInnen zum Weihnachtskonzert. Diesmal fiel die Veranstaltung auf das Jubiläum der finnischen Unabhängigkeit, diesmal in der Heilig-Kreuz-Kirche am Halleschen Tor.
Da ich kein Finne bin, Nationen eh überholt finde und mir Religionen so was von egal sind, ist das eigentlich kein Termin für mich. Doch die Liebste begleite ich trotzdem gerne.
Schließlich muss sie jemandes Hand drücken können, wenn das Heimatgefühl sie übermannt.
Das Konzert begann recht weltlich, ein paar Tangos, ein wenig Liedgut von Jean Sibelius.

Als Sänger war der Bassbariton Esa Ruuttunen arrangiert worden. Das Orchester bildeten Susanna Mieskonen-Makkonen (Geige), Kirsi Laamanen (Akkordeon), Maija Teikari (Klavier) und Matti Makkonen (Cello).
Vor der Pause begann die religiöse Abteilung. Bei Liedern mit deutscher Übersetzung sang ich sogar mit, ich singe halt zu gerne.
In der Pause tranken wir Sekt, aus Anlass des Geburtstags Finnlands. Danach wurde es mehr patriotisch und christlich.

Als dann Sylvias Weihnachtslied von Karl Collan ertönte, setzte meine Begleiterin die Brille ab und kramte nach Taschentüchern.

Und so ist Weihnachten wieder im Norden,
und Weihnachten auch in den Herzen.
Und die Weihnachtsbäume leuchten hell
auch in den kleinsten Hütten.
Aber oben an der Decke hängt noch immer
der Käfig, der meinen Sangvogel gefangen hält,
und die Klage im Gefängnis ist schon verstummt

o, wer würde an die Sorge des Sängers denken? 

Wo Zypressen auch im Winter duften 
sitze ich auf dem Ast des prächtigsten Baumes,
wo die Gewässer schimmern, der Wein schäumt
und das Wetter immer wie im Mai ist.
Und den Etna sehe ich von ferne so schön,
ach, das bezaubert und berauscht meinen Kopf,
und Lieder klingen lieblich in den Hainen

wer könnte über reichlichere Freuden singen? 

Du hellster Stern, schicke jetzt deine Strahlen
nach meinem fernen Finnland,
und wenn dein Leuchten mal erlischt,
segne jenes Land der Erinnerungen.
Ein anderes solches Land werde ich nirgendwo finden,
am liebsten und teuersten wird mir immer Finnland sein!
Und dessen Lob singt Sylvia,
und singt immer ihr schönstes Lied

(deutsche Übersetzung)


Am Ende wurde es mir zu christlich, besonders als ich ungefragt gesegnet wurde. Ich hoffe mir wurde damit für meine Karriere in der Hölle kein Stein in den Weg gelegt.

Die Erlöse der Sammlung am Ausgang gingen an die Obdachlosenhilfe der Gemeinde. Da gab ich gerne und reichlich.

Alle Fotos Irmeli Rother

Schuhmacher im Rahmen

04.12.2015

the missing kink, mater astrica
Zum Glück ist René Schoemakers nicht bei seinen Leisten geblieben. Der "Schuhmacher" aus der dänisch - deutschen Grenzregion hat zwar Kunstgeschichte, Malerei und Philosophie studiert, aber dem bildnerischen Arbeiten den Vorzug gegeben. Seine Werke sind naturalistisch gestaltet.

Während seiner inzwischen zweiten Ausstellung in der Galerie cubus-m zeigte er den Zyklus Dysopia / Fugen.

Dystopia VI und I
Seine Arbeiten wirken meist magisch und sind nicht einfach zu entschlüsseln. Seine Frau und er selbst stehen oft Modell. Aber er nutzt auch Holzbranding oder baut Modellandschaften mit Figuren, die er anschließend abmalt.
Oft wird der Tod ins Bild drapiert und Gewalt ist gegenwärtig.
Dystopie, das negative Gegenüber der Utopie, wird sichtbar.
Der Besuch der Ausstellung ist noch bis zum 23. Januar 2016 möglich, unbedingt anschauen.
René Schoemakers Arbeiten wirken beim zweiten Ansehen noch intensiver.
Dystropia II - IV
alle Fotos: René Schoemarkers

Grundsätzliche Gesten

29.11.2015

Nachden wir vor einer Weile in Potsdam ein Fluxus Museum besucht haben, freute es mich die Ankündigung zur Ausstellung einer Einzelausstellung des Fluxus Künstlers Terry Fox zu sehen.
Da zusätzlich für diesen Sonntag Performances in Erinnerung an ihn angeboten wurden, machten wir uns in Akademie der Künste im Hansaviertel auf.
Zuerst liessen wir uns professionell durch die Ausstellung führen. Leonie Wiegand, eine Kunsthistorikerin, half uns zu einen Einstieg in die Arbeit von Fox.
Zum Glück, den ohne diese Einführung hätten wir fast nix verstanden.
Herr Fox war wohl nicht sehr daran interessiert verstanden zu werden.

Nachdem er ein Labyrinth in der Kirche von Chartres in Frankreich sah, integrierte er dieses regelmäßig in seine Arbeiten . Mittelalterliche Künstler haben dieses geschaffen, um Menschen ohne Lesefähigkeit religiöse Erfahrung zu vermitteln. Fox klammerte sich an die 552 Schritte, 11 Kreise und 34 Kehren, interpretierte eine Bedeutung hinein, die direkt auf seinen eigenen Lebensweg hinwies.

Foto: Siegfried Schicht-Kammerer 

Ohne diese Information hätten wir recht blöd vor den meisten Werken herum gestanden.
Aber auch mit diesem Wissen waren mir die meisten Arbeiten zu kopflastig.
So versuchte er in einer Komposition aus Samples von Katzenschnurren, das Durchwandern des Labyrinths in der Kirche nach zu bilden.

Foto: Barry Klinger
Die Stück dauerte über neunzig Minuten, das erschien mir überambitioniert. Die Miezekatzen anzuhören ertrug ich nur zehn Minuten. Leider wurden die Audioarbeiten aber auch in weißen, stark nach Lack riechenden Kammern präsentiert.

Aber ich muss zugeben, das ich auch den Performances von Zeitgenossen Joseph Beuys nie verstanden habe.
Aber anscheinend ist Terry Fox als Komponist / Performer unter jungen KünstlerInnen beliebt.

Nach der Ausstellung sahen / hörten wir eine live Klangperformance. Neele Hülckler akzeptierte nur max. drei ZuhörerInnen, wir waren zu zweit. Wir setzten Kopfhörer auf und sahen zu wie Frau Hükler Teller auf dem Tisch stellte, an dem wir gemeinsam saßen.

Über dem Tisch waren hochempfindliche Mikrophone angebracht, die das leiseste Geräusch in unsere Kopfhörer übertrugen. Die Künstlerin begann Gläser auf den Tellern hin und her rollen zu lassen. Das ergab recht laute Töne. Im Laufe der folgenden zehn Minuten landete alles mögliche "Lärmende" auf dem Tisch. Zum Schluss lies sie Salz und Sand auf Packpapier rieseln.
Diese Performance gefiel uns sehr gut. Aber live ist auch live, und der intime Kontakt zur Künstlerin war sicher ein wichtiger Moment.
Nett ist die Idee das sie immer zum Geburtstag von Terry Fox diese Performance öffentlich als Video vorführt. Sonst ist sie eine rührige Komponistin für neue Musik.