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Hartz IV in Britannien

25.11.2015

Der mittlerweile achtzigjährige Altmeister des britischen realististischen Kinos Ken Loach entspricht mit seinem neuen Film Ich, Daniel Blake den Erwartungen. Wie ebenfalls zu erwarteten war, sahen wir den Film im fsk Kino in Kreuzberg mit wenigen Betroffenen; die meisten waren wohl wie wir eher unter linkes Bürgertum zu subsummieren. Der Hartz IV Regelsatz enthält zwar einen Betrag für Kultur und so, aber bei insgesamt 404 € wird dieser wohl meist aufgegessen. Deshalb sollte man / frau den Filmemacher nicht verurteilen.

Der Film zeichnet das Leben seines fiktiven Protagonisten Daniel Blake von seiner Arbeitsunfähigkeit durch einen Herzifakt bis zum Tod nach. Es ist fast kafkaesk, wie ihn das Sozialamt für gesund erklärt, seine ärztlichen Gutachten aber sagen, dass er zu krank zum Arbeiten ist. So zahlt ihm das Sozialamt so lange bis sein Widerspruch bearbeitet ist nichts. Das Arbeitsamt versucht ihn dagegen auf  Teufel komm raus in Arbeit zu vermitteln, für die er eigendlich zu krank ist. Er beginnt sich zu wehren.

Sein Kampf und auch der Überlebenskampf einiger anderer Bewohner in seinem Viertel wird im Film portraitiert.
Das tut der Filmemacher Ken Loach mit ähnlichem Arrangement  und Genauigkeit wie seine Vorbilder im italienischen Neorealismus der Nachkriegszeit.

Doch im Gegensatz zu diesen versucht er nicht durch stark gefühlsbetonten Szenen die Herzen der ZuschauerInnen zu gewinnen. Sein Stil ist eher durch eine realistische Darstellung zu überzeugen. Doch ich empfinde seine Arbeit als ein wenig zu fantasielos. Warum etwa wurden die Bescheide des Arbeitsamts dem toten Blake nicht in den Himmel nachgesandt? So etwas geht, Vittorio de Sica mit seinem Wunder von Mailand ist ein Beispiel.
Ich will mich nicht dem widerlichen neoliberalen Journalistenpack anschließen, die die Filme von Ken Loach als langweilig kritisieren, weil sie die soziale Wirklichkeit beschreiben, aber der letzte Film von Ken Loach den ich sah, Jimmy´s Hall, gefiel mir besser. Er enthielt mehr Momente der Hoffnung.

Weitere Kritiken: critic.de, Rheinische Post, Tagesspiegel, TAZ, Süddeutsche




Alles Bildmaterial: © 2016 PROKINO Filmverleih GmbH

KonzertmusikerInnen hemdsärmelig

11.11.2016

Im alter Tradition führen die Liebste und ich uns am Geburtstag gegenseitig aus.
Diesmal musste sie mich in ein Konzert begleiten.
Aus England, wo klassische Musik und die Bekleidungsvorschriften für MusikerInnen bei Konzerten nicht so quadratisch betrachtet wird, schwappt Casual Concert zu uns.
Also spielt das Orchester nicht im Frack oder kleinem Schwarzen, es gibt keine Platzkarten und im Anschluss spielt eine Band.
Die sonst übliche mündliche Einführung entfällt und wird durch eine Moderation während der Aufführung ersetzt.
Das Konzept dient wohl auch dazu neue Schäfchen der Klassik zuzuführen.

Das Deutsche Symphonie Orchester führte in der Philharmonie Teile des von Serge Prokofjew komponierten Balletts Romeo und Julia konzertant auf. Der richtige Stoff um das Herz einer Frau zu erweichen. Natürlich finde ich Shakesperes Stück auch ergreifend.

Aber als Mann lasse ich so was nicht gern so nah an mich heran.
Der Dirigent Stéphane Denéve erklärte zwischendurch Teile des Stückes und ruderte nicht nur mit den Armen. Ich fand das etwas zu viel des Guten, aber meine Freundin war begeistert.
Musikalisch war ich sehr zufrieden und nett war auch, dass ich meine Begeisterung mit Pfeifen und Johlen zum Ausdruck bringen konnte, ohne böse Blicke der Liebsten zu riskieren.

Danach spielte im Foyer die Max Graef Band Funky Music. Sie groovten ordentlich.
Nun waren die Kerle recht jung und wirkten wie brave Studenten. Da war es etwas lächerlich, dass sich zwei mit Perücken wild stylten.

Wir tranken noch etwas Wein, tanzten und liefen dann die paar Meter zu mir nach Hause.

Alle Fotos Irmeli Rother