Dieses Blog durchsuchen

Aber ich liebe dich doch, Carmen

20.01.2018

Henri-Lucien Doucet
Carmen
Wir schauten und hörten die Premiere der Oper Carmen von Georges Bizet in der Deutschen Oper.
Während der Einführung durch den Dramaturgen erfuhr ich, dass dieses von schmissigen Gassenhauern durchsetzte Singspiel auf der Novelle von Prosper Merimee beruhte. Dieser Text ist ein fiktiver Reisebericht eines Geologen durch Spanien, durchsetzt mit einer von Antiziganismus und Machogehabe triefenden Lovestory.
Die Geschichte: Ein Gefreiter ist einer sehr erotisch aufgeladenen Gypsi Schönheit verfallen, desertiert und folgt ihr in die Berge.

Zum Schluss schneidet er ihr aus Eifersucht das Herz heraus, weil sie sich für einen anderen entscheidet,.
Man / frau kann nur vermuten weshalb diese recht einfach 1848 gestrickte Erzählung zu einem Hit in Frankreich wurde, damals war dort Spanien gerade sehr in Mode und Sex und Crime ist bei LeserInnen zeitübergreifend gut abzusetzen.

Die Oper ist 1874 uraufgeführt worden, und da würde es sich doch anbieten sie in einer vom Staub von 144 Jahren befreiten Inszenierung aufzuführen. Doch leider wurde quasi werkgetreu nachgespielt. Einzig das die Soldaten in modernen Uniformen steckten und deren Bewaffnung
Nachbildungen neuerer Sturmgewehre waren.
Auch in einigen weiteren Details gab es Aktualisierungen, aber überwiegend steckte die Oper im Althergebrachten fest.

Dabei wäre die Neuausrichtung so einfach zu bewältigen
- eine schwarze illegale Arbeiterin auf einer spanischen Bioobstplantage
- ein weißer Polizist der sie nicht bei der Ausländerpolizei verpfeift, weil sie mit ihm ins Bett geht
- ihr Mann der die Flucht aus Afrika über das Mittelmeer schafft und auf der Plantage auftaucht
diese Mischung wäre aktuell und explosiv gewesen.
Aber trotzdem war ich nicht traurig ob der bezahlten Tickets, das Orchester und die SängerInnen rissen es raus.

Besonders gefiel mir auch das Bühnenbild, die Tribüne einer Stierkampfarena die fleißig kreiste und das gehäutete Tier auf dem Vorhang, dass wie ein Menetekel das folgende Geschehen ankündigte.

Meine Bewunderung gilt auch den BühnentechnikerInnen, denen es trotz des verheerenden Wasserschadens im Dezember gelang ein Not- Bühnenbild aufzubauen.
Also bekommt das Stück trotz der Mängel und einiger unnötiger verspielter Einfälle eine Anseh- und AnhörtEmpfehlung.


Die Besetzung

Musikalische Leitung Nikolas Maximilian Nägele
Inszenierung Ole Anders Tandberg
Bühne Erlend Birkeland
Kostüme Maria Geber
Licht Ellen Ruge
Chöre Jeremy Bines
Kinderchor Christian Lindhorst
Choreografie Silke Sense
Dramaturgie Jörg Königsdorf, Katharina Duda
Carmen Irene Roberts
Frasquita Meechot Marrero
Mercédès Jana Kurucová
Micaëla Heidi Stober
Don José Charles Castronovo
Moralès Philipp Jekal


Kritiken der Anderen: Der Opernfreund, Tagesspiegel, Berliner Zeitung,